VIDEO: Strohwitwer in New York 5

Der heutige Tag ist deutlich weniger vollgestopft. Die erste Station ist meine neworker Mekka – 90  Bedford Street. Der obligatorische Besuch wird erledigt, das Friends Gebäude ordentlich angebetet. Nächster Stopp – China Town und die chinesische Neujahrsfeier. Dieses Fest dauert in New York schon seit zwei Wochen und heute wird es mit einem monumentalen Umzug durch das chinesische Viertel beendet.


Wir finden einen Platz hinter der Straßensperre. Die Straße beginnt sich langsam zu füllen und dann geht es los, bunt und laut. Das, was folgt, erinnert eher an eine zum Leben erwachte, verwilderte Werbeanzeige. Als ein unentschlossener Wähler oder ein Newyorker auf der Wohnungssuche würde ich in dieser Mummerei sicher eine Lösung für meine Probleme finden. Sonst bin ich mir aber nicht ganz sicher, was ich mit den ganzen Präsidentschaftskandidaten, Council Speakern, Senatoren,  Immobilienmaklern und Hoteliers, die an mir vorbei gehen und mich verführerisch anlächeln, anfangen sollte.


Ich bin gerade dabei zu staunen, wie viel Wirbel man wegen ein paar Papierschlangen, Luftballons und übermäßig laut eingestellten Lautsprechern machen kann, als meine Reisekollegen auch beschließen, dass sie von dem ganzen Wahnsinn genug haben und wir kämpfen und durch die Menschenmengen Richtung Freiheit durch.


Peter und Claudia haben ein paar übriggebliebene Trump Gutscheine (ja, sowas gibt es wirklich), also begeben wir uns zur U-Bahn Richtung 5th Avenue – Trump Tower, um zu schauen ob wir auf Kosten des Präsidenten ein paar Snacks ergattern können. Im Trump Tower werden wir davon unterrichtet, dass hier keine Trump Gutscheine akzeptiert werden. Wir sollen zum Trump Hotel gehen, das sich ein paar Straßen weiter befindet. Wir beschließen, dass wir drauf Trump pfeifen und gehen ein ganz gewöhnliches Starbucks Café suchen.


Wie sich herausstellt, ist es gar nicht so einfach, am Sonntag in Manhattan ein offenes Kaffeehaus zu finden. Claudia, die schon seit einigen Stunden immer wieder ankündigt, dass ihr kalt ist, findet das hin und her Laufen ganz und gar nicht lustig. Endlich werden unsere Wünsche erhört und wir warmen und bei einer kleinen Mahlzeit auf.


Claudia gibt auf und fährt zurück ins Hotel. Peter und ich machen noch einen kurzen Spaziergang durch die Upper Erst Side, um zu sehen, wie es bei den wohlhabenderen Newyorkern zugeht. Zu unserer Überraschung stellen wir fest, dass es einen gravierenden Unterschied zwischen der westlichen und der östlichen UWS gibt. Je mehr man sich vom Central Park entfernt, desto mehr kommt man sich wie im Ostblock vor.


Am Abend trennen sich wieder einmal unsere Wege. Peter und Claudia entscheiden sich kurzfristig, ein modern / expressive / contemporary Dance Theaterstück „Sleep No More“ ansehen, bzw. erleben zu gehen. Nachdem ich meinen heutigen Bedarf nach menschlichem Wackeln und Zittern bereits beim chinesischen Fest gedeckt habe, begleite ich sie diesmal nicht.


Statt dessen führen meine Schritte zurück ins chinesische Viertel (was für ein Paradox!), diesmal allerdings in das ins 20er Jahre stylisierte Kino Metrograph, das heute eine öffentliche Übertragung der Oscar Verleihungen am Programm hat. Die Eingangshalle überträgt die Film Fans tatsächlich in den Anfang des 20. Jahrhunderts. Die überfüllten Kinosäle, das Rauschen vom Popcorn und der Schein der Handybildschirme lassen allerdings keinen Zweifel daran, dass wir uns im Jahr 2020 befinden. Auf der anderen Seite fiebert das Publikum mit den Ausgezeichneten mit, als würden sie sich im gleichen Raum befinden, statt auf der anderen Küste.


Am Weg zum Hotel stolpere ich über einen Supermarkt, der um 10 am Abend aussieht, als wäre die Vormittagslieferung gerade da gewesen. Ich kaufe mir eine Kaisersemmel (hier etwas poetischer als Kaiserbun genannt) und einen Streichkäse und überlege, ob mich das Kino Meteograph nicht zufällig statt ins Jahr 1920 zurück nach Hause teleportiert hat.


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